Vespa Quattrini M244 Motor 252ccm – vom Super-Tourer bis zum Top-Racer
Die Geschichte zum Quattrini Zylinder
Gegen Ende 2015 mehren sich die Gerüchte, dass Max Quattrini einen potenten Zylinder für die PX200 auf den Markt bringt.
Anfang 2016 ist es soweit. Der M232 und der große Bruder M244 sind am Markt erhältlich.
Ein zunächst etwas gewöhnungsbedürftige Konstruktion schien das Konzept zu verfolgen, ein Zylinder mit maximal großer Bohrung von 72mm beim M244 und ohne stützenden Zylinderfuß.
Durch die Auslegung der Kurbelwelle seitens Quattrini, mit einem, für die Vespa-Motoren, eher langen Pleuel von 126mm, werkelt der Kolben nicht so tief im Motorgehäuse und benötigt daher keinen langen, klassisches Zylinderfuß.
Heute, 2021 erfreut sich der Zylinder aufgrund recht hoher Drehmomentwerte und durch die laufruhige Auslegung dank des langen Pleuels der Kurbelwelle von Quattrini, zunehmender Beliebtheit.
Grund genug für uns einmal einen Motor damit aufzubauen und für Euch viele mögliche Szenarien durchzuspielen und zu sehen was dabei herauskommt. In verschiedenen Ausbaustufen haben wir für Euch Auspuffanlagen und Vergaser getestet.
Im hier angehängten Lieferschein für unsere Technikabteilung, findet Ihr alle Bauteile die wir für diesen Motor verwendet haben und die unserer Meinung nach dauerhaft belastbar auf diesem Konzept funktionieren.
200 Testläufe auf unserem Prüfstand
Insgesamt haben wir über 200 Testläufe mit dem Quattrini M244 auf unserem P4 Prüfstand mit verschiedenen Ausbaustufen des Motors absolviert. Dabei haben wir mehr als 50km gemessener Läufe dokumentiert und fast 20 Liter Treibstoff verfeuert.
Die, aus diesem Test, gewonnen Erfahrungen, möchten wir in dieser Blog-Serie mit euch teilen.
Zur Auswahl der Teile:
Die zu erwartenden, hohen Drehmomente des M244 sprechen in jedem Fall für ein verstärktes Motorgehäuse.
Die Erfahrung aus vielen Kilometern auf der Straße mit unseren eigenen Rollern hat uns gelehrt, dass Motoren im Bereich von 22 bis 25PS als „haltbar“ in Verbindung mit einem Piaggio Motorgehäuse zu realisieren sind.
Unser M244 Quattrini Zylinder soll aber im Verlauf des Tests noch etwas ausgebaut werden. Deshalb fällt hier die Wahl auf ein Motorgehäuse von Malossi mit Membraneinlass.
Ein Hubraum von über 220ccm bei erhöhter Leistungsdrehzahl, kann über einen klassischen Drehschieber der schmalen Vespa-Kurbelwellen nicht mehr mit ausreichend Frischgas versorgt werden. Deshalb wählen wir das Malossi Motorgehäuse mit Membran-Steuerung aus.
Um das Kraftstoffgemisch herzustellen, haben wir einen Polini 30mm Vergaser verwendet. Er steht in diesem Versuch einmal stellvertretend für einen Vergaser mit 30mm Bohrung. Im Verlauf der Versuche haben wir auch einmal einen PHBH30 im Gegenversuch ausprobiert. Das Ergebnis dazu stellen wir in einem folgenden Teil dieser Blog-Serie vor.
Beim Thema Kurbelwelle vertrauen wir auf Kingwelle. Hier finden wir genau das, was wir zum Aufbau eines drehmomentstarken, laufruhigen und haltbaren Motors suchen.
Die Wahl fällt auf eine Kingwelle mit 62mm Hub und 128mm Pleuel. Durch das 2mm längere Pleuel und erhöhten Hub haben wir die Möglichkeit über das versetzen des Zylinders mittels Spacern am Zylinderkopf und am Zylinderfuß in Hubrichtung mit den Steuerwinkeln zu arbeiten. Das längere Pleuel in Verbindung mit der gewichtigen Kurbelwelle bringt zusätzlich ein deutliches Plus an Laufruhe mit.
Durch den Hub von 62mm ergibt sich Hubraum 252,4ccm – schon vielversprechend um einen Drehmoment-orientierten Motor aufzubauen.
Die Zündung soll unseren Tourer laufruhig halten, daher wählten wir hier die bgm Zündung mit dem PX Polrad mit einer Masse von 2300g.
Die Leistung des 252ccm Aggregates wird über eine bgm Superstrong Kupplung, der bgm Primär 25-62 und einem bgm Getriebe mit der Abstufung 12-13-17-20 an das Hinterrad weitergegeben. Der kurze, vierte Gang auf der Nebenwelle hält die meist genutzte Fahrstufe stabiler. Durch einen Zahn weniger im vierten Gang, werden die Zähne deutlich breiter im Zahngrund und bieten damit eine deutlich höhere Belastbarkeit als die Variante über ein Gangrad mit einem Zahn mehr.
Konzept und Testplan
Anforderung an den Testaufbau ist, dass wir von einer eher gutmütigen Touring-Auslegung auf eine sportliche Auslegung hinarbeiten. Eben um einmal einen Schnitt durch die möglichen Varianten abbilden zu können. Als Startpunkt für die Testreihe legen wir eine Basis mit geringen Steuerwinkeln fest, um im späteren Verlauf möglichst viele, sinnvolle Varianten testen zu können
Um einen Startpunkt festzulegen, wird die Kurbelwelle mit Lagerdummies montiert und der Zylinder zur Bestimmung der Steuerwinkel aufgesteckt.
Anhand dieser ersten Daten können wir überlegen, in wie weit wir den Zylinder sinnvoll mit Spacern einrichten können und in späteren Ausbaustufen noch den Auslass bearbeiten.
Nach ein bisschen hin und her messen, entscheiden wir uns für einen Start aus der mittleren Lage der Steuerwinkel mit einem Transferwinkel von 124° und einem Auslasswinkel von 177°.
Montage des Motors
Dreamteam: Malossi | bgm PRO | Kingwelle | Quattrini
Das fabrikneue Malossi Motorgehäuse wird fertig bearbeitet von Kingwelle für die Kurbelwelle mit 62mm Hub und dem vergrößerten Durchmesser der Kurbelwangen mit 99,4mm geliefert. Auch der Lagersitz für das Lager auf der Lichtmaschinen-Seite wird kontrolliert und im Einzelfall nachgearbeitet, da der Lagersitz Werksseitig von Malossi mit einer sehr engen Toleranz gefertigt ist.
Die so fertig bearbeiteten Gehäuse, mit einer hochwertigen Kurbelwelle von Kingwelle, bieten wir euch auch als Set an. Für diesen Motor benutzen wir das Set KWM46228.
Das von Malossi beigefügte Kugellager 6205 für die Lichtmaschinenseite wird von Kingwelle nicht empfohlen. Wir folgen der Empfehlung von Kingwelle und benutzen hier ein NU205.
Vor dem Einsetzen der Lager, bearbeiten wir das Motorgehäuse und passen Zylinder und die Überstromkanäle einander an. Auf einem Piaggio Motorgehäuse artet das gerne in eine Abendfüllende Veranstaltung aus. Das Malossi Gehäuse ist bereits auf die Kanäle der Malossi Sport und MHR Zylinder ausgelegt und benötigt hier für den Quattrini M244 wenig Nacharbeit. Die meiste Arbeit entfällt auf das Entfernen der Dichtfläche am Zylinderfuß, die die Verwendung des M244 auf Piaggio Motorgehäusen ermöglicht.
Das Anpassen der Transferkanäle zum Motorgehäuse ist recht einfach erledigt. Die Zylinderfußdichtung Zeigt wie wenig hier angepasst werden muss.
Alle Lager werden klassisch durch schrumpfen eingesetzt, um Beschädigungen der Lagersitze durch schlichtes Einziehen der Lager zu vermeiden. Das Schrumpfen oder kalt/warm Verfahren bietet den Vorteil, dass keine mechanische Belastung auf die Oberfläche der Lagersitze einwirkt und der Sitz dadurch nicht geweitet wird.
Wandernde Malossi Motorgehäuse
Eine weitere Eigenheit der Malossi Motorgehäuse ist, dass die mitgelieferten, originalen Silentgummis zu schmal für das Motorgehäuse sind. Besser gesagt, hier hat Malossi einfach die Sitze für die Silentgummis tiefer im Gehäuse orientiert als es original der Fall ist. Dadurch kann das Motorgehäuse über die Silentgummis in Richtung Rahmen wandern.
Schon vor geraumer Zeit haben wir hier mit einem Spacer-Set BGM7952SP für die Silentgummis Abhilfe geschaffen und damit für einen sicheren Sitz der Silentgummis an der richtigen Position gesorgt.
Das Getriebe
Der M244 mit 62mm Hub der Kingwelle auf 252ccm gebracht, wird recht viel Drehmoment an das Hinterrad ableiten. Ein Garant um eine hohe Reisegeschwindigkeit bei reduzierter Drehzahl zu erreichen. Das ermöglicht die Primär. Ausgehend von einem massigen und früh einsetzenden Drehmoment-Berg, kann die Primär lang, sogar sehr lang gewählt werden. Mit 25 zu 62 Zähnen verwenden wir die längste, von bgm angebotene Primär. Mit dem verstärkten Primärreparatur-Set von bgm wird ein haltbarer Primärantrieb hergestellt.
Schaltbolzen und Schaltkreuz werden mit Schraubensicherung montiert.
Das bgm Sekundär-Getriebe wird mit dem kleinsten, möglichen Luftspiel mit den bgm Schulterringen eingestellt.
Das Malossi Motorgehäuse zusammensetzen
Weitere Anpassungen am Motorgehäuse sind nicht mehr nötig und alle anderen Innereien finden den Weg an ihren Platz.
Zur Montage der Kurbelwelle wird der Wellendichtring mit etwas Öl benetzt, damit die Dichtlippen sauber auf die Kurbelwelle gleiten und nicht beschädigt werden.
Das Malossi Motorgehäuse wird, entgegen den Piaggio Motorgehäusen, ohne eine Feststoffdichtung zusammengesetzt. Anstatt der Papierdichtung wird wie bei einem modernen Motorkonzept, das Gehäuse mit Flächendichtung abgedichtet.
Um die Gehäusehälften zu verbinden, kommen bei Malossi Innensechskant-Schrauben in M8 zum Einsatz. Durch die verschiedenen Längen der verwendeten Schrauben hilft hier ein Blick in die Verwendungsliste, um den richtigen Befestigungspunkt zu finden.
bgm PRO Superstrong Kupplung & Kingwelle
Die Kingwelle wird mit einer eigenen Anlaufscheibe und spezieller Passfeder geliefert. Die Anlaufscheibe verfügt über einen deutlichen Radius, der passgenau zum Radius der Kurbelwelle sitzt. Eine brechende Anlaufscheibe ist hiermit fast unmöglich.
Die Kingwelle verfügt auf der Antriebsseite über eine spezielle Passfeder, welche eigens für Kingwelle gefertigt wird und exakt in die Nut der Kupplungsnabe passt.
Als Kupplung setzen wir eine bgm Superstrong-CR ein. Mit der Serienbestückung, 10 bgm Federn XL, bewältigt die CR Kupplung eine sichere Übertragung der Leistung bis 40PS. Die Kupplungsmutter der Kingwelle verfügt über ein Feingewinde der Dimension M12x1. Die Mutter wird mit Schraubensicherung und einem Anzugsdrehmoment von 70Nm befestigt.
Montage weiterer Komponenten
Weiter wird der Motor mit den restlichen Komponenten komplettiert.
Ansaugstutzen mit der Malossi 2-Klappen Membran. Kupplungsdeckel, Schaltraste, Abdeckung für die Aufnahme des Startermotors und der bgm Zündanlage mit statischem Zündzeitpunkt.
Spannungsfreie Montage der Zündgrundplatte bei Malossi-Motorgehäusen
Das Malossi Motorgehäuse ist an vielen Stellen verstärkt. Dadurch kann es bei der Montage der Zündung zum Kontakt der Grundplatte um den Lagersitz kommen. Die Grundplatte der Zündung muss spannungsfrei in der Zentrierung sitzen, also muss im Einzelfall die Grundplatte und/oder das Motorgehäuse leicht nachgearbeitet werden, um einen spannungsfreien Sitz der Grundplatte sicherzustellen.
Quetschmaß prüfen
Vor der endgültigen Montage des Zylinders prüfen wir noch das Quetschmaß mittels Lötzinn.
Aufgrund des gesteigerten Hubes peilen wir das Quetschmaß im Bereich von 1.3mm bis 1.4mm an und stellen dieses durch die beiliegenden Zylinderfußdichtungen ein.
Durch den Ausgleich des größeren Hubes, entfällt die Zentrierung am Zylinderkopf. Deshalb werden in Zylinderkopf und Zylinder, Bohrungen für Passhülsen gesetzt. Die Passhülsen vermeiden, dass die, im Testverlauf, verwendeten Spacer für den Zylinderkopf unglücklich in den Brennraum hineinragen und dort ungewollt Schaden anrichtet.
Der neue Quattrini Motor auf dem Prüstand
Für die Testläufe stellen wir die Zündung auf 19° v.OT ein.
Die Läufe der ersten Ausbaustufe M244_1 stellen wir euch im nächsten Blog-Beitrag vor…
Nur kurz angemerkt – keiner der Läufe lag unter der 30PS Marke auf dem unbearbeiteten M244